Charlie Chaplin und die Schweiz – Die unerzählte Geschichte der Filmlegende

Ein fiktives Interview mit Charlie Chaplin und seine Jahre am Genfersee

Charlie Chaplin verbrachte die letzten 25 Jahre seines Lebens in der Schweiz. Nach dem politisch motivierten Exil aus den USA fand er am Genfersee, was Hollywood ihm nicht bieten konnte: Frieden, Privatsphäre und ein glückliches Familienleben. Chaplin selbst bezeichnete später sein Privatleben in der Schweiz als die glücklichste Zeit seines Lebens.

Kennen Sie das Gefühl? Sie sehen einen Film oder lesen über eine faszinierende Persönlichkeit und denken: Diese Person hätte ich gerne einmal getroffen.

Leider ist das oft nicht möglich. Deshalb haben wir – basierend auf existierender Literatur und authentischen Zitaten – dieses Interview erschaffen. Es soll Ihnen den privaten Charlie Chaplin näherbringen, ihn gewissermassen in Ihr Wohnzimmer holen. In diesem Interview spricht Charlie Chaplin zu uns, wie er es sonst nur durch seine Filme und Musik tat.

Jede Antwort ist auf drei prägnante Sätze beschränkt – ganz im Sinne von Chaplins Kunst der Reduktion auf das Wesentliche.

charlie chaplin musical walenseebühne

Herr Chaplin, nachdem Ihr Visum für die USA 1952 nicht erneuert und die Wiedereinreise damit verweigert wurde, haben Sie sich letztendlich für die Schweiz als neue Heimat für sich und Ihre Familie entschieden. Wie ist es dazu gekommen und was hat Sie gerade an unserem Land derart fasziniert?

Ursprünglich wollte ich nur meinen erfolgreichen Film  «Rampenlicht» in Europa präsentieren und danach eine Auszeit nehmen, doch politische Umstände zwangen mich kurzfristig, ein neues Zuhause für meine Familie zu suchen. Die Schweiz erschien mir als neutraler, sicherer Ort fernab politischer Anfeindungen – insbesondere nach den unbegründeten Vorwürfen während der McCarthy-Ära. In Corsier-sur-Vevey fanden wir schliesslich die ersehnte Ruhe, Privatsphäre und ein idyllisches neues Zuhause.

Sie sprachen gerade Ihren Umzug nach Corsier-sur-Vevey an. Das Anwesen  «Manoir de Ban» ist beeindruckend. Wie haben Sie Ihr perfektes Zuhause gefunden und was hat Sie an diesem Ort besonders angesprochen?

Während wir verschiedene Orte sondierten und einige Wochen im Hôtel Beau-Rivage in Lausanne verbrachten, entdeckten wir die Region rund um den Genfersee. Als wir vom zum Verkauf stehenden Manoir de Ban erfuhren, besichtigten wir es neugierig – und verliebten uns sofort in das Anwesen mit seinem grosszügigen Park, altem Baumbestand und dem herrlichen Blick auf See und Berge. Es war der ideale Ort, um als Familie Wurzeln zu schlagen und unseren Kindern Raum zum Wachsen und Träumen zu geben.

Würden Sie sagen, dass die Schweiz zur Heimat wurde?

Im Manoir de Ban schufen wir mit viel Hingabe ein Zuhause, das sowohl Offenheit als auch Geborgenheit bot – ein Ort voller Geschichte, den wir mit unserem Leben füllten. Für mich wurde das Anwesen zu einem Rückzugsort; ich arbeitete an meiner Autobiografie, komponierte neue Musik und schrieb neue Drehbücher. Die Schweiz war mir zur Heimat geworden; hier konnte ich Vater sein, Ehemann, Nachbar – und einfach Charlie.

Wie war denn Ihr offizieller Empfang in der Schweiz?

Wir wurden in der Schweiz sehr freundlich empfangen; die Behörden stellten uns schnell eine Aufenthaltsgenehmigung aus, und in Corsier-sur-Vevey fühlten wir uns willkommen. Am 6. Oktober 1953 wurden wir mit allen Ehren vom Waadtländer Staatsrat empfangen. Trotz politischer Kontroversen in den USA wurde ich in der Schweiz als Künstler geschätzt; die Menschen in Vevey respektierten unsere Privatsphäre – das war für meine Familie und mich sehr wichtig; diese Zeit war für mich privat die glücklichste.

Man sagt, dass Sie nicht, wie viele Prominente, isoliert gelebt haben, sondern gerne am Leben in der Region teilnahmen?

Nach etwa einem Jahr fühlten wir uns voll integriert; die Kinder gingen in die öffentliche Schule und lernten Französisch. Wir genossen unsere Freiheit: besuchten Kino, Zirkus Knie, den Wochenmarkt. Die Gemeinde lud uns zu Festen ein, und die Freunde unserer Kinder waren jederzeit im Manoir de Ban willkommen.

Welche Schweizer Gewohnheiten haben Sie übernommen?

Durch unsere Kinder, die in die Schweizerschule gingen, lernten wir die lokalen Gepflogenheiten ganz natürlich kennen; mittwochnachmittags, wenn schulfrei war, organisierten wir wie andere Familien Freizeitaktivitäten – etwa Klavierunterricht. Wir nahmen am Leben teil: feierten den 1. August, besuchten regelmässig den Zirkus Knie in Vevey – ein Highlight für alle. Oona und ich entdeckten mit Freude die kulinarische Vielfalt der Region und ihre charmanten Restaurants.

Seltenes Videomaterial von Charlie Chaplins Zeit in der Schweiz – RoyCharlie Chaplin™ © Bubbles Incorporated S.A.

Was hat Ihnen an der Schweizer Küche am besten gefallen?

Wir liebten die hiesige Gastronomie, auch wenn meine Frau gelegentlich amerikanische Hamburger machte – sehr zur Freude aller. Sonntags besuchten wir oft die Auberge de l’Onde in St. Saphorin – ein liebgewonnenes Ritual; ich bestellte gern Hühnchen mit Estragon oder Froschschenkel, dazu ein Glas Pinot gris und zum Dessert Mille-feuilles mit Himbeere und Kokos. Wir hatten viele Lieblingslokale in der Region – überall wurden wir herzlich empfangen und genossen das Essen sehr.

Nachdem Sie sich in der Schweiz niedergelassen hatten, kamen nochmal vier Kinder zu den vier bereits existierenden Kindern hinzu. Wie kann man sich die familiäre Stimmung im Hause Chaplin vorstellen?

Ich war stolz auf meine Rolle als Vater, doch den Grossteil der Kindererziehung und das Managen des Alltags übernahm Oona – keine leichte Aufgabe bei acht Kindern. Bei jeder Schwangerschaft erklärten wir es den Kindern, die sich in «Pro-Schwester» und  «Pro-Bruder»-Clans aufteilten – doch freuten sich immer alle. Wir bezogen die Kinder aktiv in den Alltag mit dem Neuankömmling ein, um Eifersucht zu vermeiden.

Seltenes Videomaterial von Charlie Chaplins Zeit in der Schweiz – RoyCharlie Chaplin™ © Bubbles Incorporated S.A.

Wie haben Sie die Feiertage mit Ihrer Familie verbracht?

Offizielle Feiertage bedeuteten mir wenig, doch Oona machte daraus besondere Momente; zu Weihnachten filmte sie mit ihrer 16-mm-Kamera – ihre Filme wurden dann im Familienkreis gezeigt. Das Haus war festlich und amerikanisch geschmückt, besonders der grosse Baum am Eingang beeindruckte jedes Jahr. Ein paar Rituale prägten unser Jahr: Skiferien im gemieteten Chalet in Crans (alle fuhren Ski, nur Oona nicht), Ostern in Irland – ihrer Heimat – und im Sommer Ferien am Meer, meist an der Côte d’Azur.

Als weltberühmter Künstler und gleichzeitig Familienvater von acht Kindern – wie haben Sie diese beiden Welten unter einen Hut gebracht?

In den ersten zwei Jahren in der Schweiz lebte ich fast wie ein Rentner; mit 63 hatte ich endlich Zeit für Familie, Spaziergänge und die neue Umgebung – und das tat gut. Doch bald merkte ich: Etwas fehlte; ich musste wieder arbeiten; kaum begann ich damit, besserte sich meine Stimmung. Meine Frau kümmerte sich meisterlich um die familiäre Organisation mit den Kindern; die Ruhe unseres neuen Zuhauses gab mir die nötige Distanz, um kreativ zu sein; 1954 schrieb ich das Skript zu  «Ein König in New York» – ein Neuanfang, den ich zwar nicht gesucht, aber gebraucht hatte.

Als jemand, der aus ärmsten Verhältnissen kam – welche Werte haben Sie Ihren Kindern vermittelt, während diese in privilegierten Umständen aufwuchsen?

Einer meiner Grundwerte war immer die Loyalität – am Filmset, gegenüber Angestellten, Freunden und vor allem in der Familie. Wir wussten, dass unsere Kinder ein gutes Gespür füreinander hatten – spätestens dann, wenn eines den anderen als  «spoilt brat» (verwöhnte Göre) bezeichnete. Sie hielten sich gegenseitig in Schach, und wenn mal jemand über die Stränge schlug, wurde das unter Geschwistern durchaus angesprochen; die Gouvernanten mussten dann oft schlichtend eingreifen.

Was ist die wichtigste Lektion, die Sie Ihren Kindern mitgeben wollten?

Für mich ist Schulbildung das A und O – sie erfordert Disziplin und das Bewusstsein, dass sie ein Privileg ist. Wichtig ist auch der innere Antrieb, sich stets weiterzuentwickeln; Rückschläge gehören dazu, aber man sollte seine Ziele nie aufgeben, besonders wenn man spürt, dass man für etwas berufen ist. Das Lachen und die Menschlichkeit sollten wir nie aus den Augen verlieren.

Seltenes Videomaterial von Charlie Chaplins Zeit in der Schweiz – RoyCharlie Chaplin™ © Bubbles Incorporated S.A.

Was schätzen Sie besonders an Ihrer Frau Oona?

Oona schenkte mir die Sicherheit und den Komfort des  «sweet home», den ich immer gesucht hatte; sie brachte mir Ruhe und Gelassenheit, und wir ergänzten uns perfekt. Die vollkommene Liebe ist das Schönste und zugleich das Enttäuschendste, weil sie mit Worten nicht zu fassen ist; Oona war ein ständiges Wunder für mich; in einer Ehe braucht es Liebe und Toleranz; wir konnten plaudern oder auch schweigen und uns dabei glücklich fühlen. Oona war unser Hafen; jeden Morgen um 10 Uhr, nach dem Frühstück, motivierte sie mich, zu arbeiten – genau die Frau, die ich immer gewollt hatte.

Sie stammen aus einer Künstlerfamilie, ihr Vater, ihre Mutter, ihr Bruder Sydney, wie war Ihr Verhältnis zu Ihrer Familie?

Die Beziehung zu meinem Vater war nicht innig und ich habe wenig Erinnerungen daran. Von meiner Mutter Hannah Hill habe ich alles gelernt, was ich kann; sie war eine aussergewöhnliche Imitatorin und lehrte mich, Gesten, Bewegungen und Mimik zu nutzen sowie Menschen genau zu beobachten. Trotz grosser Armut schenkte sie meinem Bruder und mir Liebe, Stärke und Werte fürs Leben; ihr Einfluss hat mich ein Leben lang begleitet. Mein Bruder Sydney und ich waren immer sehr eng; er war mir Bruder, Freund und Manager; er legte das finanzielle Fundament meiner Karriere; nach meinem Umzug in die Schweiz kam er oft zu Besuch und wohnte teilweise in Montreux.

Sie galten als perfektionistischer Workaholic in Ihrer aktiven Zeit. Wie sah Ihr Tagesablauf in der Schweiz aus, nachdem Sie nicht mehr täglich im Studio standen?

Nach meiner unfreiwilligen Pensionierung widmete ich mich zunächst den Dingen, für die ich zuvor keine Zeit hatte, doch bald merkte ich, dass mich das nicht erfüllte – ich musste wieder arbeiten. Meine Tagesroutine mit Oona war meist wie folgt: Frühstück und Zeitung lesen von 7 bis 10 Uhr, dann Arbeit im Büro; nach einer halben Stunde Tennis und Schwimmen folgte das Mittagessen mit den Kindern; der Nachmittag war der Musik gewidmet, abends entspannte ich mich oft bei einem Gin Tonic vor dem Kamin. Während meiner Zeit in der Schweiz verfasste ich 3 Drehbücher, meine Autobiografie und unzählige Musikstücke bzw. Überarbeitungen; ausserdem pflegte ich Korrespondenzen und wir hatten viele Gäste.

Welche Werte waren für Sie am wichtigsten, die Sie in Ihren Filmen zum Ausdruck bringen wollten?

In meinen Filmen geht es um Humanismus, um Menschlichkeit, Glück – aber auch um Ungerechtigkeit, Armut und Bescheidenheit; eine zentrale Botschaft zieht sich durch alle Werke: Trotz aller Niederlagen stirbt die Hoffnung auf etwas Besseres nie. Liebe ist das Wichtigste; deshalb enden meine Filme immer mit einem Hoffnungsschimmer; es gibt – trotz allem – immer einen Weg nach vorn.

1972 sind Sie für eine Oscar-Verleihung in die USA zurückgekehrt und wurden dort triumphal empfangen. Wie haben Sie diesen emotionalen Moment erlebt, und warum sind Sie danach wieder in die Schweiz zurückgekehrt?

Die 1970er-Jahre brachten mir späte Anerkennung; 1971 erhielt ich in Cannes den französischen Orden der Ehrenlegion; 1972 erhielt ich den Goldenen Löwen in Italien und kehrte nach zwanzig Jahren erstmals in die USA zurück, um einen Ehren-Oscar für mein Lebenswerk entgegenzunehmen. Dieser Moment war für mich eine Art Versöhnung mit der Filmbranche – der Applaus war überwältigend; in die USA zurückzukehren, war ausgeschlossen; mein Zuhause war nun die Schweiz; mein Visum für die USA galt nur für zwei Wochen – fast ein Kompliment, da man mich nach all den Jahren noch als  «gefährlich» ansah. Zuvor lehnte ich Auszeichnungen ab, aber dann amüsierten sie mich; die wichtigste Anerkennung für einen Künstler bleibt jedoch das Publikum.

Das Chaplin’s World in Ihrem ehemaligen Wohnhaus zieht heute Besucher aus aller Welt an. Was würden Sie den Menschen gerne mitgeben, die heute Ihr Zuhause besuchen?

Als Künstler wünsche ich mir, dass mein Werk und meine Botschaften nicht vergessen werden; ich kann dem ein paar Worte des  «Diktators» hinzufügen, denn ich finde sie auch heute noch relevant: Wir haben die Geschwindigkeit entwickelt, aber innerlich sind wir stehengeblieben; wir lassen Maschinen für uns arbeiten und sie denken auch für uns; die Klugheit hat uns hochmütig werden lassen, und unser Wissen kalt und hart. Wir sprechen zu viel und fühlen zu wenig, aber zuerst kommt die Menschlichkeit und dann erst die Maschinen. Als Mensch wünsche ich mir, dass die Besucher den magischen Ort des Manoir de Ban schätzen und respektieren; ich habe dies einmal so ausgedrückt: Inmitten dieses Glücks sitze ich manchmal bei Sonnenuntergang auf unserer Terrasse und schaue auf den weiten grünen Rasen und den See in der Ferne und über den See hinweg auf die beruhigende Präsenz der Berge und sitze einfach nur da, ohne an etwas zu denken, und geniesse ihre wunderbare Gelassenheit.

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